
Schadensminderung
Infodrog ist auf nationaler Ebene für die Koordination der Schadensminderung verantwortlich, erstellt fachliche Grundlagen und unterstützt Bund, Kantone, Städte sowie den Fachbereich bei der Verankerung und Weiterentwicklung der Angebote.
Die Schadensminderung ergänzt seit Mitte der 1980er Jahre neben Prävention, Therapie und Repression als vierte Säule die schweizerische Drogenpolitik und wurde 2008 im BetmG verankert. Entstanden ist sie aus der Überlebenshilfe für Heroinabhängige in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Anfang der 2000er Jahre sind im Freizeitsetting Nightlife-Projekte mit Präsenz vor Ort und Drug Checking entstanden.
Der niederschwellige Zugang zu den Angeboten ermöglicht eine unbürokratische und schnelle Intervention mit dem Ziel, die psychische und physische Gesundheit sowie die soziale Situation von Konsumierenden zu stabilisieren, Safer Use zu fördern und den Substanzkonsum zu minimieren. Auf der gesellschaftlichen Ebene tragen die Angebote der Schadensminderung dazu bei, den öffentlichen Raum zu entlasten und die Ausbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern. Mit der nationalen Strategie Sucht verfolgt der Bund unter anderem das Ziel, schadensmindernde Ansätze auf alle Suchtformen inklusive Tabakkonsum sowie Verhaltenssüchte auszuweiten.
Kontakt- und Anlaufstellen (K&A)
Kontakt- und Anlaufstellen (K&A) bieten drogenkonsumierenden Menschen, die auf den Konsum von illegalen Substanzen nicht verzichten wollen oder können, niederschwelligen Zugang zu Überlebenshilfe und Beratung. In beaufsichtigten Injektions- und Inhalationsräumen können selbst mitgebrachte illegale Drogen unter hygienischen Bedingungen konsumiert werden.
Leitlinien Kontakt- und Anlaufstellen
In Zusammenarbeit mit der Fachgruppe K&A des Fachverbands Sucht hat Infodrog Leitlinien für Kontakt- und Anlaufstellen erarbeitet.
Monitoring Kontakt- und Anlaufstellen
Von 2016 bis 2019 erfasste Infodrog den Substanzkonsum von Klient:innen der Kontakt- und Anlaufstellen von Institutionen in der Deutschschweiz und der Romandie und publizierte einen Monitoring-Bericht.
Drug Checking und Substanzwarnungstool
Drug-Checking-Angebote sind Teil der Schadensminderung und richten sich an Konsumierende von psychoaktiven Substanzen. Infodrog erarbeitet gemeinsam mit Fachexpert:innen nationale Standards für Drug Checking und stellt ein Onlinetool für Substanzwarnungen bereit.
Substanzwarnungstool
In Zusammenarbeit mit Praxispartnern hat Infodrog ein Onlinetool entwickelt, in welchem sie wöchentlich aktuelle Substanzwarnungen und Informationen zu unerwarteten und gefährlichen Stoffen oder Streckmitteln publiziert. Die Warnungen können in Deutsch, Französisch und Italienischer Sprache abgerufen werden.
Die Daten stammen aus den Drug-Checking-Angeboten in Zürich, Basel, Bern, Genf, Luzern und Biel.
Nightlife und Freizeitdrogenkonsum
Infodrog stellt Wissengrundlagen und Instrumente für die Prävention und Schadensminderung bei Freizeitdrogenkonsumierenden bereit, sensibilisiert und vernetzt die relevanten Akteur:innen aus verschiedenen Bereichen und unterstützt Fachstellen und Behörden bei der Entwicklung von spezialisierten Angebote.
Spritzenautomaten
Die Standorte von Spritzenautomaten können über den Suchtindex abgerufen werden.
Monitoring der Abgabe von sterilem Konsummaterial an Drogenkonsumierende in der Schweiz
Infodrog erfasst im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit BAG seit 2019 die Abgabe steriler Konsummaterialien an Drogenkonsumierende. Gemäss den letzten Daten ist die Versorgung mit sterilem Konsummaterial derjenigen Menschen, welche Drogen konsumieren in der Schweiz genügend. Ebenso wird die Bedeutung der Kontakt- und Anlaufstellen für die Prävention von Infektionskrankheiten wie HIV und Hepatitis C hervorgehoben. Es handelt sich um systemrelevante Einrichtungen, die einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Gesundheit leisten.
Coordination nationale Housing First
Wohnen als grundlegendes Menschenrecht – ohne Bedingung, dies ist das Grundprinzip von Housing First. Die Sicherstellung einer geeigneten Wohnsituation hat Priorität und erst in einem zweiten Schritt erfolgen allfällige Betreuungs- und Begleitungsangebote zur sozialen und beruflichen (Re)Integration für Betroffene, welche freiwillig in Anspruch genommen werden können. Dadurch ermöglicht der Housing-First-Ansatz eine individuelle und niederschwellige Unterstützung und verhindert Obdachlosigkeit, wobei Abstinenz keine Voraussetzung für den Erhalt einer Wohnung darstellt.
Akzeptanzorientierte und niederschwellige Wohnformen sind ein wichtiges Angebot der Suchtarbeit. Aus diesem Grund fördert Infodrog den nationalen Erfahrungsaustausch von bestehenden sowie in Planung befindenden Housing-First-Angeboten.
Die nächste Coordination nationale zu Housing First findet am Donnerstag, 27. November 2025 im Bundesamt für Gesundheit statt.
Kontakt und weitere Informationen
Sandra Bärtschi, Wiss. Mitarbeiterin, s.baertschi@infodrog.chDrugs - Just Say Know: Website und Broschüre
Infodrog stellt Wissengrundlagen und Materialen für die Prävention und Schadensminderung bei Freizeitdrogenkonsumierenden bereit, sensibilisiert und vernetzt die relevanten Akteur:innen aus verschiedenen Bereichen und unterstützt Fachstellen und Behörden bei der Entwicklung und Diffusion von spezialisierten Angeboten.
Die Website und die dazugehörige Broschüre «Drugs – Just Say Know» informiert über 30 verschiedene psychoaktive Substanzen, ihre Risiken, Nebenwirkungen und weist auf Safer-Use-Regeln hin. Thematisiert werden auch die Gefahren des Mischkonsums sowie das Verhalten in Notsituationen.
Sexualisierter Substanzkonsum | ChemSex
Beim sexualisierten Substanzkonsum und ChemSex handelt sich um ein Phänomen, das irgendwo zwischen Freizeitdrogenkonsum und abhängigem Konsum angesiedelt ist.
Sexualisierter Substanzkonsum findet in vielen Kontexten zwischen Menschen aller Geschlechter statt. Die Wahl psychoaktiver Substanzen ist unbeabsichtigt, spontan und/oder aber auch gezielt mit sexuellen Motiven verbunden. Vom Cüpli Champagner, um geselliger zu werden, über MDMA, um das Bedürfnis nach Nähe zu steigern, zu Kokain, um an Selbstvertrauen zu gewinnen, kann jegliche Form des Substanzkonsums einen sexualisierten Zweck verfolgen.
Chemsex ist vornehmlich bei Männern, die Sex mit Männern haben, anzutreffen, welche bewusst und gezielt spezifische Substanzen vor oder während des Sex konsumieren. Im Wesentlichen sind folgende Substanzen im Spiel: Methamphetamin, Mephedron, GHB und GBL, Ketamin und Kokain.
Den aus diesen Praktiken entstehenden Problemen und Risiken, insbesondere Infektionen mit verschiedenen übertragbaren Krankheiten und Substanzabhängigkeit, soll durch Sensibilisierung der Betroffenen wie auch der Beratenden und durch Massnahmen der Schadenminderung wie STI-Tests oder Drug Checking-Angebote begegnet werden.
Dokumente und Links
Chemsex – Lexikon Prävention und GesundheitMaterialien Schadensminderung
Für Fachstellen, welche Präventions- und Schadensminderungsaktivitäten durchführen, stellt Infodrog Materialien und Wissengrundlagen bereit. Diese können hier bezogen werden.
Experten:innengruppen Schadensminderung
Coordination nationale der niederschwelligen Suchthilfe
Infodrog koordiniert und organisiert die «Coordination nationale der niederschwelligen Suchthilfe». Die jährliche Veranstaltung bietet den Fachpersonen der Schadensminderung über die Sprachgrenzen hinaus einen Austausch, sowie Einblick in die aktuellen Herausforderungen der Schadensminderung. Kooperationspartner sind die Fachgruppe K&A des Fachverband Sucht und die Plateforme Réduction des risques der GREA.
Arbeitsgruppe «Schadensminderung und Covid-19» (2019 -2022)
Infodrog wurde von der damaligen «Taskforce Sucht und COVID-19» beauftragt, eine Arbeitsgruppe «Schadensminderung und COVID-19» zu bilden. Die Arbeitsgruppe diente als Sounding-Board und für in der Phase der COVID-19 -Pandemie. Sie identifizierte zentrale Herausforderungen für die Angebote der Schadensminderung, entwickelte Lösungsansätze und erarbeitete Beispiele guter Praxis.
Die Arbeitsgruppe wurde Mitte 2022 aufgelöst.
Internationales Netzwerk Schadensminderung
Auf der internationalen Ebene engagiert sich Infodrog für die Reaktivierung des Europäischen Netzwerkes «EuroHRN» und ist mitverantwortlich für die Durchführung der vierten Europäischen Harm Reduction Konferenz. Zudem ist Infodrog Mitglied einer Expert:innengruppe der EUDA, welche die Bedeutung von Datenerhebungen in Drogenkonsumräumen in Europa für ein besseres Verständnis der lokalen, nationalen und europäischen Drogensituation untersucht.
Dokumente und Links
Situationsanalyse Schadensminderung
Im Zusammenhang mit dem strategischen Ziel des BAG, die Ausweitung der Schadensminderung auf alle Suchtformen zu fördern, führte Infodrog 2018 eine Befragung der Kantone und ausgewählter Gemeinden durch. Die Situationsanalyse dient dazu, eine aktuelle Übersicht über schadensmindernde Angebote in der Schweiz zu erhalten, den Unterstützungsbedarf von Kantonen und Gemeinden zu kennen und beurteilen zu können, wie kantonale und lokale Entscheidungsträger einer Ausweitung von schadensmindernden Ansätzen gegenüber eingestellt sind.
Weitere Dokumente
Links
Agenda
27. Substitutions-Forum - Plattform für Drogentherapie der Österreichischen Gesellschaft für arzneimittelgestütze Behandlung von Suchtkrankheit (ÖGABS)
Veranstalter: Österreichischen Gesellschaft für arzneimittelgestütze Behandlung von Suchtkrankheit (ÖGABS)
Dauer: 10. & 11. Mai 2025
News zum Thema Schadensminderung
Synthetische Opioide in Bayern: bereits acht Todesfälle
Die Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen informiert über eine besorgniserregende Entwicklung in Bayern: Seit 2024 wurden mindestens acht Todesfälle und schwere Intoxikationen im Zusammenhang mit synthetischen Opioiden, insbesondere Nitazen-Derivaten, festgestellt. Die mit diesen Substanzen verbundenen Gesundheitsrisiken sind erheblich und stellen eine akute Gefahr für Konsumierende dar.
Chemsex und seine Relevanz in der Drogen- und Suchtberatung
Das Phänomen Chemsex wurde 2020 als neue Herausforderung für die Suchthilfe beschrieben und früher als ein spezielles Thema der Communityberatungen behandelt. Inzwischen hat es auch eine Relevanz in der Drogen- und Suchtberatung erlangt. Ein aktueller Artikel widmet sich dem Überblick über das Phänomen Chemsex und beschreibt praxisorientierte Ansätze für die Beratung von Männern*, die Chemsex praktizieren und Beratungsstellen aufsuchen.
Sex im Kopf
Menschen nutzen seit Urzeiten Substanzen, um ihre sexuelle Performanz zu verbessern. Diese wirken meist auf das Gehirn. Das Ziel: intensivere Gefühle und mehr Ausdauer beim Liebesspiel. Denn Sex spielt sich in erster Linie im Kopf und nicht in den Genitalien ab. Um Sex vermeintlich besser und intensiver zu erleben, greifen immer mehr Menschen auf stimulierende Substanzen, Medikamente und Drogen zurück. Die ZDF-Sendung Scobel widmet sich diesem Thema.
Bisherige Veranstaltungen
Tagung «Substanzkonsum bei Jugendlichen: News aus Forschung und Praxis»
Die Tagung präsentiert aktuelle Informationen aus Forschung und Praxis zum Thema Substanzkonsum bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Konsum von Kokain und Ketamin. Darüber hinaus werden die Zusammenhänge zwischen psychischer Gesundheit und Substanzkonsum thematisiert.
Tagung «Mischkonsum bei Jugendlichen – neue Praxisansätze, aktuelle Forschungsresultate»
Die Tagung gibt Gelegenheit, sich über aktuelle Erkenntnisse aus Praxis und Forschung zu informieren und ermöglicht gleichzeitig eine Vernetzung mit den involvierten Akteuren. Zudem dient die Tagung als Austauschplattform, um Modelle und Lösungen zu diskutieren, wie die Versorgung der Jugendlichen verbessert werden kann.