Evaluation und Weiterentwicklung Selbstmanagement-App «NoA-Coach»
Aufgrund eines Alkoholproblems beginnen ca. 10'000 Personen pro Jahr eine ambulante Behandlung, aber nur in etwa die Hälfte schliesst diese regulär ab und Rückfälle nach Abschluss sind häufig. Die systematische Kombination aus Face-to-Face- und Online-Beratung (Blended Counseling) eröffnet neue Möglichkeiten für die Suchtbehandlung. Insbesondere mobiltelefonbasierte (mHealth) Angebote, die das Selbstmanagement mit persönlicher Beratung durch Fachpersonen kombinieren, sind geeignet zur Unterstützung der Behandlung und zur Verhinderung von Rückfällen.
Der NoA-Coach kombiniert digitales Selbstmanagement mit persönlicher Unterstützung durch Fachpersonen. Klientinnen und Klienten, die sich aufgrund eines Alkoholproblems in einer Beratung oder Behandlung befinden, erhalten durch die App mit integriertem Chatbot eine zusätzliche Unterstützung, um ihre Behandlungsziele zu erreichen. Zudem werden sie bei Behandlungsabbrüchen oder Rückfällen dazu motiviert, eine bedarfsgerechte Behandlung wiederaufzunehmen. Behandlungsbegleitend meldet sich der NoA-Coach in Form eines Chatbot-Avatars regelmässig via Push-Nachrichten und erinnert bspw. an das Ausfüllen des Trinktagebuchs innerhalb der App, gibt Feedbacks zum aktuellen Alkoholkonsum in Hinblick auf ein selbst definiertes Konsumziel, gibt Tipps zum Umgang mit Versuchungssituationen und verdeutlicht die Vorteile eines massvollen Umgangs mit Alkohol. Die Alkoholkonsum- und Verhaltensziele können in regelmässigen Abständen angepasst werden. Darüber hinaus bietet die App eine Kalender- und Erinnerungsfunktion für den nächsten ambulanten Beratungstermin, einen SOS-Button, der z.B. Tipps zum Umgang mit Craving gibt, sowie eine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit der Beratungsperson via Chat.
Der Einsatz der NoA-Coach-App wurde 2020 bis 2021 durch die Berner Gesundheit, die Suchtfachstelle Zürich sowie durch Fachstellen des Blauen Kreuz getestet und durch das ISGF evaluiert. Der Evaluationsbericht zeigt positive Resultate und auch Verbesserungspotenzial. Die befragten Klient:innen bewerteten den Inhalt und die Funktionen des NoA-Coach insgesamt gut bis sehr gut. Die befragten Fachpersonen äusserten sich kritischer, insbesondere in Bezug auf das Coaching durch den Chatbot-Avatar. Die Rate der Klient:innen, die sich von einem risikoreichen zu einem risikoarmen oder abstinenten Konsum verbesserten, lag bei intensiver Nutzung des Apps höher als bei Teilnehmenden mit geringer Nutzungshäufigkeit. Im Behandlungszeitraum zeigte sich zudem ein positiver Zusammenhang zwischen regelmässiger Nutzung der App und einer geringen Rate an Kontaktabbrüchen. Diese Resultate sind jedoch mit Vorsicht zu interpretieren, da sich nur ein Drittel der Teilnehmenden an der Nachbefragung beteiligte und die Anzahl pro Vergleichsgruppe letztlich zu klein war, um kausale Zusammenhänge zu interpretieren. Inwieweit der NoA-Coach erfolgreich in einen Beratungsprozess integriert werden kann, hängt massgeblich von der Akzeptanz des Tools bei den Fachpersonen ab, aber auch von der individuellen Problemlage der nutzenden Klient:innen. Da der NoA-Coach bislang nur für Alkoholprobleme zur Verfügung steht, eignet er sich nicht für Personen mit multiplen Problemen.
Der Entwicklung der NoA-Coach-App wurde durch Gesundheitsförderung Schweiz über den Fonds «Prävention in der Gesundheitsversorgung» mitfinanziert. Die fachliche Entwicklung erfolgte durch die Berner Gesundheit, die Suchtfachstelle Zürich sowie durch Fachstellen des Blauen Kreuz; die wissenschaftliche Begleitung durch das ISGF und die technische Entwicklung durch Pathmate Technologies. Ab 2022 übernimmt Infodrog die Trägerschaft des NoA-Coach und koordiniert die Weiterentwicklung und Verbreitung. Im Jahr 2022 wird das Tool auf Basis des Evaluationsberichts unter Mithilfe der ursprünglichen Projektgruppe fachlich überarbeitet und optimiert. Ab Anfang 2023 wird der Coach für weitere Fachstellen geöffnet und zur Verfügung gestellt.